Schattig

Stichwahl bei Präsidentenwahl in der Slowakei begonnen

Knappes Rennen zwischen Pellegrini (rechts) und Korčok erwartet © APA/AFP/TOMAS BENEDIKOVIC

In der Slowakei hat am Samstag eine Stichwahl um das Präsidentenamt begonnen. Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. Das Ergebnis wird sich aber auch auf den künftigen Kurs des Landes auswirken. Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen dem parteilosen Ex-Außenminister Ivan Korčok (60) und dem linksgerichteten Parlamentspräsidenten Peter Pellegrini (48) aus dem russlandfreundlichen Regierungslager voraus.

Der Sieg im ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen ging klar an den von der liberalen prowestlichen Opposition unterstützten Korčok, obwohl Pellegrini lange Zeit als Favorit galt. Die Chancen beider Anwärter sind in etwa gleich hoch. Laut einer Anfang der Woche veröffentlichten Meinungsumfrage der Agentur Focus lag Pellegrini mit 50,8 Prozent der Wählerstimmen vor Korčok mit 49,2 Prozent. Die letzte, nur wenige Stunden vor Beginn des Wahlmoratoriums am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Agentur Ipsos sah wiederum Korčok mit 50,1 Prozent hauchdünn vor Pellegrini mit 49,9 Prozent.

Nach Meinung von Beobachtern wird es sehr auf die Wahlbeteiligung ankommen, die allerdings schon in der ersten Wahlrunde mit nahezu 52 Prozent ungewöhnlich hoch lag. Sollten jetzt noch mehr Slowaken zu den Wahlurnen kommen, wäre es ganz untypisch für das Land, erklärte Focus-Chef Martin Slosiarik gegenüber slowakischen Medien. Eine höhere Zahl würde dabei eher Pellegrini in die Karten spielen, denn sein Rivale habe sein Wählerpotenzial zum Großteil schon ausgeschöpft.

Die Slowakei ist ein stark polarisiertes Land, der Riss geht oft quer durch Freundschaften und Familien. Hinter Korčok steht jener Teil der Gesellschaft, der seit Ende des Vorjahres auch immer wieder zu regierungskritischen Protesten in allen größeren Städten des Landes zusammengekommen ist, besorgt um den Kurs des Landes unter der neuen links-nationalistischen Regierung des Politveteranen Robert Fico.

Bei der Parlamentswahl im vergangenen Herbst hatte der Linkspopulist ein Comeback geschafft und schon zum vierten Mal eine Regierung gebildet. Politisches Missgeschick und Fehltritte der Vorgängerregierung hatten ihm zurück zur Macht verholfen, zusammen mit der Verbreitung russlandfreundlicher Desinformationen und der Angst, die Slowakei könnte in den Krieg im Nachbarland Ukraine hineingezogen werden. Gleich nach Amtsantritt begann Fico, die Slowakei nach eigenen Vorstellungen zu verändern und immer mehr auf einen autoritären, russlandfreundlichen Kurs nach dem Vorbild Viktor Orbans in Ungarn zu bringen.

Staatliche Militärhilfe an den von Russland angegriffen Nachbarn stoppte Fico, weil diese nur eine Fortsetzung des Krieges bedeute, während er für Frieden sei. Er tauschte die Leitung der Polizei und wichtiger staatlicher Behörden aus und leitete im vergangenen Dezember eine umstrittene Justizreform in die Wege, in der die liberale Opposition wie auch die EU-Kommission eine Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei sehen. Auf Antrag der scheidenden Präsidentin Zuzana Čaputová hin setzte das Verfassungsgericht Teile der Reform inzwischen vorläufig außer Kraft. Jüngst werden Fico und seiner Regierung auch Angriffe auf die Pressefreiheit vorgeworfen.

Das Oppositionslager befürchtet, dass Pellegrini als Präsident nur der verlängerte Arm Ficos im Präsidentenpalast sein werde. Mit seiner Rhetorik im Finale des Wahlkampfes schien er diese Befürchtungen zu bestätigen, auch plädierte er für „Frieden“ in der Ukraine, der mit Waffenlieferungen nur hinausgezögert würde. Korčok versprach hingegen, ein Gegengewicht zur Regierung zu sein.

Faktisch hat der Präsident in der Slowakei überwiegend nur repräsentative Kompetenzen, seine Bedeutung steigt aber in Krisenzeiten. Er kann etwa ein Expertenkabinett nach seinen Vorstellungen einsetzen, wie es Čaputová nach dem Sturz der rechtskonservativen Regierung Eduard Hegers im Vorjahr getan hatte. Sie selbst wollte sich nicht mehr für eine zweite Amtszeit bewerben, auch wegen häufiger Verbalattacken des Regierungslagers gegen sie und ihre Familie.

Erst am allerletzten Tag des Wahlkampfs hatten sich Fico und der dritte Koalitionspartner, der Vorsitzende der rechtsnationalistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS), Andrej Danko, voll hinter Pellegrini gestellt. Fico warf Korčok dabei vor, als Präsident „ein zweites Machtzentrum“ schaffen und die Regierung zerstören zu wollen. Zuvor war der Rückhalt der Koalitionspartner für Pellegrini eher lauwarm gewesen. Das Verhältnis zwischen Fico und Pellegrini war nicht immer friktionsfrei. Als langjähriger Mitstreiter war Pellegrini im Jahr 2018 eingesprungen, als Massenproteste wegen der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak den Premier zum Rücktritt zwangen. Zwei Jahre später wurde die Regierung abgewählt, Pellegrini sagte sich danach von Fico los und gründete seine eigene linksgerichtete Partei „Hlas“. Bei der jüngsten Parlamentswahl landete sie auf Anhieb auf dem dritten Platz und war Königsmacherin. Pellegrini stellte sich an die Seite seines einstigen Parteichefs und verhalf ihm zur Parlamentsmehrheit.

Pellegrini hofft darauf, das Wählerreservoir der im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Kandidaten besser ausschöpfen zu können als Korčok. Neben nationalistischen Wählern umwarb er auch Angehörige der ungarischen Minderheit im Süden des Landes. Ob dies für einen Wahlsieg ausreichen wird, ist nicht sicher.

Die knapp 6.000 Wahllokale im Land sind bis 22.00 Uhr geöffnet. Unmittelbar nach Wahlschluss wird das Statistikamt die ausgezählten Ergebnisse durchgehend online veröffentlichen, relevante Zahlen werden erst gegen Mitternacht bekannt. Da ein extrem knappes Ergebnis erwartet wird, dürfte dem Land eine spannende Wahlnacht bevorstehen, bis zur Auszählung der letzten Stimmen.

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