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Korruption: Diese Vorwürfe gefährden alles, wofür die neue Ukraine steht

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Diese Vorwürfe gefährden alles, wofür Selenskyjs neue Ukraine steht

Ibrahim Naber - WELT

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach den Korruptionsvorwürfen gegen Militäroffiziere in Kiew hart durchgegriffen Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach den Korruptionsvorwürfen gegen Militäroffiziere in Kiew hart durchgegriffen

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach den Korruptionsvorwürfen gegen Militäroffiziere in Kiew hart durchgegriffen

Quelle: Ukrainian Presidentia/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa; Martin U. K. Lengemann/WELT

Ein neuer Korruptionsskandal erschüttert die Ukraine – und gefährdet den Zusammenhalt im Land. Selenskyj greift hart durch. Gut so, denn nur ein entschiedener Kampf gegen den Betrug kann Kiew den Weg in die EU ebnen. Korruption ist die DNA des Systems Putin.

Während Zehntausende ukrainische Soldatinnen und Soldaten in den Frontregionen ihr Leben für das Land riskieren, stecken sich Militäroffiziere in Kiew Bestechungsgelder in die Taschen. Der Vorwurf: Sie sollen Zahlungswilligen für jeweils 10.000 Euro Dokumente ausgestellt haben, die ihnen die vermeintliche Untauglichkeit für den Militärdienst bescheinigen. Mit den Papieren konnten sie dann sogar die Ukraine verlassen, was anderen Männern bis 60 während des Krieges nicht erlaubt ist.

Die Betrugsvorwürfe gegen ukrainische Beamte reihen sich ein in eine lange Liste ähnlicher Fälle aus den vergangenen Monaten. Und sie bedrohen alles, wofür der ukrainische Staat unter dem Präsidenten und Reformer Wolodymyr Selenskyj eigentlich stehen will.

Die Korrupten gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Zeit, in der das Land bei der aktuellen Offensive in Bredouille geraten ist. Und sie sorgen gleichzeitig für einen Vertrauensverlust bei Menschen in den Staaten, die der Ukraine immer wieder Waffen liefern.

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Fund bei einer Razzia im Rahmen des aktuellen Korruptionsskandals in der Ukraine Fotos für WELT Korruptionsskandal Ukraine Kontakt: Naber, Ibrahim ibrahim.naber@welt.de

Selenskyj weiß das und hat darum in diesen Tagen hart durchgegriffen. Er gab in einer Rede am Freitag bekannt, dass seine Regierung die Leiter aller regionalen militärischen Rekrutierungszentren gefeuert habe. Tage zuvor schon hatten Polizisten den Chef des Kiewer Bezirkszentrums für Rekrutierung und soziale Unterstützung festnehmen lassen. Auch ein führender Offizieller innerhalb der Kiewer Militärverwaltung kam in Untersuchungshaft.

Beide Beschuldigten sollen sich am Betrug beteiligt haben. „Das System sollte von Leuten geleitet werden, die genau wissen, was Krieg ist und warum Zynismus und Bestechung im Krieg Verrat sind“, erklärte Selenskyj das Durchgreifen in einer Rede.

Das Vorgehen gegen Korruption ist der wichtigste Kampf der Ukraine neben dem Schlachtfeld. Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International stuft die Ukraine bis heute als das korrupteste Land Europas ein – nur Russland schneidet noch schlechter ab. Weltweit liegt die Ukraine in dem Ranking auf Rang 116 von 180 Staaten.

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Krieg bremst Korruptionsjäger

Gleichzeitig berichten ukrainische Korruptionsjägerinnen wie die Anwältin Olena Shcherban, dass das Land in den vergangenen Jahren Fortschritte gemacht habe. Doch der Krieg bremse sie in ihrer Arbeit aus. Behörden hielten viele Dokumente mit Verweis auf „Militärgeheimnis“ unter Verschluss.

Trotzdem kamen immer wieder Vorwürfe ans Licht. Anfang 2023 stand vor allem das Verteidigungsministerium im Visier, sogar der Job von Minister Oleksii Resnikow war zwischenzeitlich in Gefahr. Die Beschaffungsstelle stand unter Verdacht, Verträge für die Verpflegung von Soldaten zu krass überhöhten Preisen abgeschlossen zu haben. Es ging um 330 Millionen Euro. In einem anderen Verfahren wurde damals der Vize-Minister für Infrastruktur entlassen. Er soll rund 350.000 Euro an staatlichen Geldern beim Kauf von Winterausrüstung illegal eingesteckt haben.

Das ukrainische State Bureau of Investigation (SBI) hat seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine 112 Verfahren gegen Beamte der territorialen Rekrutierungs- und Sozialhilfezentren eingeleitet. 15 Personen wurden bereits vor Gericht angeklagt. Diese Zahlen gab die Ermittlungsbehörde in den vergangenen Tagen bekannt.

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Nur ein entschiedener Kampf gegen den systematischen Betrug kann der Ukraine den Weg in die EU ebnen. Denn Korruption ist die DNA des Systems Putin. Und es ist das Gift, mit dem seine Dienste demokratische Gesellschaften angreifen. In der Ukraine hat der Kreml schon lange vor dem Krieg Beamte bestochen und so auf Russlands Seite gezogen.

Selenskyj hat die Verfolgung von Korrupten mehrfach zu einem Eckpfeiler seiner Politik erklärt. Daran muss er sich messen lassen. Gerade die Mobilisierung, die Einberufung von neuen Soldaten für die Front, ist mittlerweile ein sehr sensibles Thema in der Ukraine.

Die Euphorie der ersten Kriegsmonate, wo sich Zehntausende freiwillig zum Kampf gegen Russland meldeten, ist verflogen. Auch weil mittlerweile Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer gefallen sind, fällt es den Behörden schwerer, neue Rekruten zu überzeugen. Umso wichtiger ist es, dass gerade hier kein Betrug toleriert wird. In dieser Hinsicht sind die aktuellen Entlassungen und Festnahmen das richtige Zeichen.

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