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Klimaaktivismus: So antwortet die „Letzte Generation“ auf Antisemitismus-Vorwürfe

Deutschland Klimaaktivismus

Antisemitismus-Vorwürfe beantwortet die „Letzte Generation“ mit einem Angriff auf die Presse

Autorenfoto Alexander Dinger

Stellvertretender Ressortleiter Investigation und Reportage

Aktivisten der Gruppe Letzte Generation wollen ab nächster Woche in Bayern demonstrieren. Aktivisten der Gruppe Letzte Generation wollen ab nächster Woche in Bayern demonstrieren.

Aktivisten der „Letzte Generation“ distanzierten sich von Antisemitismus in den eigenen Reihen und griffen die Presse an

Quelle: Swen Pförtner/dpa

Wegen Antisemitismus-Vorwürfen haben Mitglieder der „Letzten Generation“ mit Austritten gedroht. Nun reagierte das Kernteam der Klimaaktivisten und bezeichnete Journalisten als „rechtsextrem“, andere Mitglieder schimpften über die „Schmutzpresse“.

Nach mehreren Berichten über Antisemitismus und NS-Verharmlosung im Umfeld der „Letzten Generation“ hat sich nun das „Kernteam“ der Klimaaktivisten zu Wort gemeldet. In einer Nachricht beim Messenger-Dienst Telegram schrieb Lars Werner aus dem Führungszirkel der Gruppe: „Der industrielle Massenmord im Holocaust ist in seiner Art der Durchführung ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte. Wir setzen Menschenleben nicht in Relation zueinander.“

Lars Werner schreibt an die Mitglieder der Bewegung gerichtet weiter, man könne zwar nachvollziehen, woher das Bedürfnis komme, Parallelen mit dieser Grausamkeit zu ziehen. „Dennoch darf man sich nicht dazu verleiten lassen, den Holocaust mit vereinfachenden Vergleichen zu banalisieren“, so Werner. Man sei fest entschlossen, sich nicht durch „rechtsextreme Hetze“ von seinen Zielen abbringen zu lassen.

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Zuvor hatten mehrere Medien, darunter WELT, über Diskussionen zum Antisemitismus innerhalb der Gruppierung berichtet. Aktueller Auslöser waren Aussagen einer Aktivistin aus der Arbeitsgruppe „Strategie und Werte“. Diese hatte die Behauptung aufgestellt, es habe keine antisemitischen Aussagen des Briten Roger Hallams gegeben. Hallam gilt als Ideengeber der „Letzten Generation“ und stand in engem Austausch mit „Letzte Genration“-Gründer Henning Jeschke.

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Der „Zeit“ hatte Hallam in einem Interview gesagt, der Holocaust sei nur ein „weiterer Scheiß in der Geschichte der Menschheit“ – und „fast ein normales Ereignis“. Der Brite, so die Aktivistin, habe sich lediglich „sehr ungünstig ausgedrückt“. „Die menschengemachte Klimakatastrophe für harmloser als den Holocaust zu halten, ist allerdings Klimakatastrophenverharmlosung.“

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WELT liegen zahlreiche Chatnachrichten vor, die bezeugen, wie heftig die Diskussionen in internen Kanälen der „Letzten Generation“ derzeit laufen. „Ich möchte auch keiner Organisation angehören, welche sich nicht vehement gegen Relativierung und Banalisierung von Verbrechen wehrt“, erklärte etwa ein Aktivist. Der Holocaust sei kein „Klebezettel, den du an Sachen heften solltest, um zu zeigen, wie schlimm sie sind“, schrieb ein anderer Nutzer. Mehrere Aktivisten forderten eine Reaktion des Kernteams.

Die erfolgte nun in einer langen Nachricht, in der sich die Führungsriege zwar klar von Holocaust-Relativierung distanzierte – aber gleichzeitig gegen Kritiker austeilte und diese als „rechtsextrem“ bezeichnete. Andere Klimaaktivisten gingen sogar noch einen Schritt weiter und bezeichneten die Berichte von Journalisten als „Schmutzpresse“ und „Gesockspresse“.

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Berlin, die Aktivisten der Gruppe Letzte Generation bei einem Protestmarsch vom Marx-Engels-Forum in Mitte bis Karl-Liebknecht-Straße. Im Bild: Demonstranten mit Banner auf dem Protestmarsch. Banner mit der Aufschrift: "LETZTE GENERATION VOR DEN KIPPPUNKTEN". Auch immer mehr ältere Personen schließen sich der Bewegung an.

Gerade das ungeklärte Verhältnis des Kernteams zum Briten Hallam sorgt bei vielen Klimaaktivisten aber weiter für Unmut. Mehrere Recherchen dieser Zeitung hatten gezeigt, dass das Verhältnis zu dem britischen Klimaaktivisten enger ist, als es die führenden Köpfe der „Letzten Generation“ bislang zugeben.

In der Nachricht der Letzten Generation an ihre Anhänger heißt es nun: „Roger Hallam ist ein Berater der International Mobilisation Group (IMG) und Just Stop Oil (JSO)“. Mit dieser und neun weiteren Kampagnen stehe man als Teil des „A22 Networks“ im Austausch. „Die internationalen Vorschläge und Austauschrunden dienen uns zur Inspiration und es wird stets reflektiert, ob und wie wir dies für unsere Kampagne nutzen“, schreibt Werner. „Just Stop Oil“ ist die britische Schwesterorganisation der „Letzten Generation“. Im „A 22 Netzwerk“ tauschen sich die Aktivisten aus.

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Häufig gebe man im Netzwerk als eine der größten Kampagnen anderen Kampagnen Tipps, Beratung und Vorschläge, schreibt Werner. Der Aufbau und die Rollen in dem internationalen Netzwerk würden gerade umgebaut, um bestmögliche Bewegungsstrategien zu entwickeln. Und: „Roger Hallam’s Aussagen sind nicht unsere Aussagen. Menschenleben setzen wir nicht in Relation zueinander.“

Neben Zuspruch gibt es auch Kritik an der vermeintlichen Distanzierung. So schreibt ein Mitglied, dass die Thematik Monate alt und es weiterhin beschämend sei wie damit umgegangen werde. Eine klare Antwort, wie man sich in Zukunft zu Hallam verhalten werde, sei das nicht.

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Quelle: AFP, AFP/ AFP/ Saul Loeb

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